Vortrag auf KVV: „Maßstab für Tierwohl muss das Tier sein“

04.12.2018 | Aktuelles - Landvolk Diepholz

„Moderne Landwirtschaft muss tiergerecht sein!“ Was diese Forderung bedeutet, erläuterte Prof. Dr. Robby Andersson von der Hochschule Osnabrück auf Einladung des Landvolkes. Der Inhaber des Lehrstuhls für Tierhaltung befasst sich mit dem Verhalten von Nutztieren und deren Haltung. und referierte auf der Kreisverbandsversammlung im Gasthaus Husmann in Groß Lessen. Vor rund 150 Landwirten und Gästen legte der Experte dar, worauf es beim Tierwohl ankommt.

„Differenzierte Betrachtungsweisen sind wichtig“, mahnte der Agrarwissenschaftler. Viele Forderungen aus Politik und Gesellschaft müssten daraufhin überprüft werden, ob sie wirklich dem Tier nützten. Als Beispiel führte Andersson an, dass mehr Platz und Freilandhaltung auch Probleme mit sich bringen könnten wie stressintensive Rangkämpfe unter den Tieren oder die Einschleppung von Infektionen und Seuchen. „Maßstab für Tierwohl muss das Tier sein und nicht menschliches Empfinden. Die Welt der Tiere ist eine andere als unsere und tierisches Verhalten kann schnell fehlinterpretiert werden“, so Andersson. „Wenn mir kalt ist, ist dem Tier auch kalt – das ist ein Trugschluss. Kühe zum Beispiel fühlen sich bei sehr niedrigen Temperaturen sehr wohl.“ Wichtig sei es bei Nutztieren, dass deren Bedarf gedeckt werde. Das Tier müsse frei von Schmerz und Hunger sein, es müsse gesund sein und sein normales Verhalten ausleben können. „Bedarf und Bedürfnis ist nicht dasselbe. Ein Mensch hat einen Bedarf an Wasser und vielleicht ein Bedürfnis nach Bier“, veranschaulichte der Professor. Andersson bedauerte, dass in der Öffentlichkeit teilweise die Begriffe Tierwohl, Tierschutz und Tierrechte durcheinander geworfen werden. Während sich das Tierwohl besonders auf die Gesundheit, das Verhalten und geringen Stress beziehen, fokussiert sich der Begriff Tierschutz darauf, das Tier vor Schaden zu schützen. „Und Tierrechtler erkennen Tieren dieselben Rechte zu wie Menschen. Zwischen einer Ratte und einem Kind wird kein Unterschied gemacht“, so Prof. Andersson. Nutztierhaltung sei mit diesem Weltbild per se unvereinbar.

Tiergerecht sei es, wenn man die Eigenschaften des Tieres in den Fokus rücke, die auch innerhalb einer Art unterschiedlich sein können, daher sprechen Fachleute auch nicht von artgerecht. Nutztiere würden lernen und sich anpassen, auch das müsse man berücksichtigen. „Ich kann eine Kuh, die über die Jahrzehnte auf mehr Milchleistung gezüchtet wurde, nicht einfach weniger füttern“, betonte der Referent. Zentral für ihn sei der Erhalt einer belastbaren Gesundheit des Tieres. Dieser Punkt komme ihm in den aktuellen Debatten um den Arzneimitteleinsatz in der Veterinärmedizin zu kurz. Die Ziele einer tiergerechten Nutztierhaltung seien die Gesundheit der Tiere, Vermeidung von Verhaltensstörungen, die Möglichkeiten negative Empfindungen ausgleichen und die Umwelteinflüsse einschätzen. „Mein Wunsch an die Landwirte ist es, dass sie mehr kommunizieren, warum sie die Tiere so halten wie sie es tun“, schloss Prof. Andersson seinen Vortrag. Landvolk-Vorsitzender Theo Runge bedankte sich bei dem wissenschaftlichen Experten für seine Ausführungen und für die Bereicherung der Debatte. Runge betonte, dass gerade vor dem Hintergrund der Skandale auf den Schlachthöfen in Niedersachsen, von denen er sich im Namen aller Berufskollegen deutlich distanzierte, die Diskussion über Tierwohl aktueller denn je sei. „Sie muss aber auf wissenschaftlicher Grundlage geführt werden“, so Runge abschließend.

Die Vertreter des Landvolkes (v.l.) Jürgen Langhorst, Theo Runge und Geschäftsführer Dr. Jochen Thieringbegrüßten Prof. Dr. Robby Andersson (2. v.l.)  in Groß Lessen.